Der Kontakt zu Tamara war enorm hilfreich

Juni 2025

Als wir die Diagnose erhielten, waren mein Mann und ich gerade in den Startlöchern für unsere Italien-Ferien. Wir wussten bereits, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 unseres Kindes sehr hoch war. Am Abreisetag wurden wir dann im Sprechzimmer des Arztes sehr wohlwollend und kompetent, aber auch betroffen informiert, dass die Diagnose durch den Bluttest eindeutig nachweisbar war.

Die Diagnose hat mich hart getroffen. Ich hatte zuvor drei Fehlgeburten erlebt. Die Erklärung der Ärzte dafür war meist, dass es wohl Fehler bei der Entwicklung des Babys gegeben hatte und darum war es mir völlig unverständlich, dass sich ein Baby mit einer solchen Diagnose nicht – wie bei meinen anderen Fehlgeburten – von selbst verabschiedet hatte. Die Fahrt nach Italien war entsprechend schlimm und geprägt von einem inneren Gedankenwirrwarr.

Am Pool in Italien hatte ich das erste Gespräch mit einer Fachorganisation. Diese haben uns Kontakte vermittelt, bei denen ich mich in der darauf-folgenden Woche auch gemeldet habe.

Den Kontakt zu hope21 hat meine Schwester über die Hotline hergestellt und mir weitergeleitet. Ich habe mich gemeldet und Tamara kennengelernt und fühlte mich bei ihr sehr gut verstanden, wertgeschätzt und ermutigt – das gab mir das Gefühl, dass wir das schaffen könnten. Auch besonders während der zwei Herzoperationen von Salome war der Austausch mit ihr extrem hilfreich für mich – dies vor allem, weil auch Tamaras Tochter mit einem Herzfehler auf die Welt gekommen war. Aus unserem Kontakt hat sich ein herzliches und freund-schaftliches Verhältnis entwickelt. Wir schreiben bis heute miteinander, tele-fonieren oder treffen uns als Familien. Diese Verbindung ist für mich etwas Besonderes und ich freue mich sehr darüber.

Die Entscheidung, die Schwanger-schaft weiterzuführen, war die schwierigste unseres bisherigen Lebens. Sie hat uns emotional tief herausgefordert. Es war ein langer, aufreibender, schmerzhafter und schier unüberwindbarer Prozess – auch, weil ständig neue Informationen hinzukamen. Besonders die Diagnose des doppelten Herzfehlers, der extrem selten ist, hat alles überschattet. Es war ungewiss, ob Salome die Schwanger-schaft, die Geburt und die ersten Tage überhaupt überleben würde.

Für meinen Mann Tom war ein Schwangerschaftsabbruch ein zu grosser Eingriff in die Natur. Wäre ich allein gewesen, hätte ich mich möglicherweise anders entschieden. Der Schmerz des Loslassens war mir, so meinte ich, aus den Abortgeschichten ertragbarer als eine derart unklare Zukunft.

Dann erlebten wir eine übernatürliche Ermutigung: Als wir nach einem schwierigen Gespräch aus dem Krankenhaus kamen, bin ich in Tränen ausgebrochen und brauchte eine Pause. Eine fremde Frau hat das wohl vom Nebenbank aus beobachtet, tauchte plötzlich vor uns auf und schenkte uns ein Alu-Herz mit Schoggi drin, welches sie kurzum im Tank-stellenshop gegenüber kaufen ging. Sie stand da und meinte: „Ich weiss nicht, was passiert ist, aber es ist schlimm“, und schon war sie weg. Durch meine verweinten Augen sah ich ihr T-Shirt von hinten. Es hatte Perlen in Form von Engelsflügeln! Im Nach-hinein für uns unfassbar: Eine fremde Frau schenkt ein Herz – und unser Baby hat ein grosses Herzproblem. Dann schrieben wir ins Lindor-Aluherz, welches bis heute auf unserem Nachtisch steht: „Spital-Engel, 5.9.22“.

Als wir zu Hause waren, beschlossen wir bis spätestens 12:00 Uhr telefonisch mitzuteilen, ob wir einen Abbruch machen oder nicht. Diese Zeit bis zum Telefonat war kaum auszuhalten. Dieses hin und hergerissen sein war enorm schlimm. Nur wenige Sekunden vor zwölf nahm ich den Hörer und sagte ab. Heute bin ich sehr dankbar, dass mein Mann mit seiner Meinung da war. Auch wenn uns diese Zeit kurzzeitig auseinanderdriften liess, bin ich so froh, dass wir es gemeinsam gemeistert haben. Und wir tun es bis heute, jeden Tag aufs Neue. Am 19.12.2022 – also nur 3.5 Monate nach unserer Entscheidung für das Leben unseres Mädchens, kam Salome Nina auf die Welt.

Besonders berührte mich der Mo-ment, als ich zum ersten Mal ihre blonden Haare sah – ich wusste sofort, dass sie es ist. Ich hatte dieses innere Bild von ihr – und es stimmte.
Das erste Jahr mit unserer Tochter war schwierig. Die grosse Trinkproblematik brachte uns an unsere Grenzen. Sie brauchte pro Mahlzeit bis zu 1,5 Stunden und musste bis zu achtmal täglich gefüttert werden. Es folgten etwa drei Monate Sondenernährung, die ebenfalls nicht einfach waren. Grosse Mengen Erbrechen, keine Nahrungsaufnahme ausser Milch und dann noch die vorgezogene Herz-operation mit drei Monaten, bei der vieles drunter und drüber ging.. Die doch oft sehr guten Nächte haben uns mit durchgetragen. Auch merkten wir schnell, dass Salome wiff, interes-siert, bewegungsfreudig und spassig ist. Das wurde uns auch immer wieder seitens Fachpersonen vermittelt und hat uns viel Freude bereitet.

Heute – mit knapp zweieinhalb Jahren – ist unser Alltag einfacher geworden. Zwar klappt das Essen immer noch nicht und das Trinken ist immer noch sehr herausfordernd und braucht viel Geduld. Salome Nina bringt aber mit ihrer Lebendigkeit, ihrem Schalk und ihrer einzigartigen Persönlichkeit immer wieder grosse Freude in unser Leben.