DIE WELT MIT ANDEREN AUGEN SEHEN
September 2024
Familie Schütz betreibt in Willisau einen Bauernbe- trieb. Als Tochter Sarah 2019 mit Trisomie21 geboren wird, gerät ihre Welt durcheinander. Heute sprechen sie im Zusam- menhang mit Sarah von Bereicherung, ja sogar von einem Vorrecht.
Seit 2004 führt Daniel Schütz den Bauernbetrieb, den sein Vater einst gekauft hatte. Zeitlebens hatte er beobachten können, wie sich seine Eltern gegenseitig unter die Arme greifen. «Ich sah, dass das Führen des Betriebs zu zweit besser geht. Man kann einander helfen», sagt Daniel. Da sich dies- bezüglich für ihn keine Lösung ergab, suchte er 2011 im Internet nach einer Frau – erfolgreich: Seine Liebe zu Salome führte Daniel im August 2013 vor den Traualtar.
Eine wachsende Familie
2014 wurde Zoe geboren, 2016 folgte Samuel und zwei Jahre später war Salome erneut schwanger. Wie bei den ersten beiden Kindern verzichteten die Eltern auf Unter- suchungen bezüglich Trisomie 21: «Wir sagten uns, dass ein Befund für uns ohnehin nichts ändern würde.» Die Schwangerschaft
verlief gut, die Kontrollen zeigten keine Auffälligkeiten. Im Februar 2019 wurde Sarah im Spital Wolhusen geboren. «Eine Pflegerin legte sie mir in die Hände», erin- nert sich Daniel. «Sie fragte, ob ich im Ver- gleich zu den beiden anderen Kindern einen Unterschied sehen würde.» Erst später hatte er eine Vermutung, was die Frau zu dieser sonderbaren Frage bewegt haben könnte.
Plötzlich fiel das Wort Trisomie 21
«Sarah war schwach, man verlegte sie auf die Neonatologie nach Luzern», erzählt Salome. «Dort wurde dann der Verdacht auf Trisomie 21 geäussert.» Es folgte eine intensive Zeit. Salome, gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen, fuhr täglich zu Sarah nach Luzern, während sich Daniel zu Hause um Zoe und Samuel kümmerte. Er fährt fot: «Vor vier Jahren wohnte mein Vater noch auf dem Betrieb und konnte uns stark unterstützen. Wir waren auch sehr froh, dass diese Zeit in den Winter fiel und es auf dem Hof etwas ruhiger zuging.»
«Sie fragte, ob ich im Vergleich zu den beiden anderen Kindern einen Unterschied sehen würde.»
Zermürbende Zeit
Die folgenden Tage forderten das Elternpaar emotional stark heraus. Der Gedanke, dass Sarah ein Kind mit Trisomie 21 sein könnte, setzte Salome zu. Auch Daniel hoffte, dass der Verdacht unbegründet sei. Schon bald wurden beide mit der Tatsache konfrontiert: Sie hatten ein Kind mit Beeinträchtigung. «In diesen Tagen war das Gebet für uns hilfreich», halten Daniel und Salome fest. Beide fanden Halt bei Gott und das gemein- same Austauschen half ihnen, Gedanken und Gefühle zu ordnen. «Wir informierten unsere Eltern und sprachen mit Freunden darüber.» Familienangehörige standen zur Seite, und besonders dankbar war Salome für Freunde aus ihrer Freikirche. Die Ungewissheit blieb auch nach der Diagnose: «Wir wussten nicht, was sie Situation für uns bedeuten und wie stark sich die Beein- trächtigung äussern würde», sagt Salome. Der Arzt machte Mut und versicherte, dass Trisomie 21 gut erforscht sei und ihrem Kind gute Institutionen und Schulen zur Verfügung stünden. Abgesehen von einem kleinen Loch im Herzen, das ohne Eingriff zusammenwuchs, wurden bei Sarah keine weiteren Beeinträchtigungen gefunden.
«In diesen Tagen war das Gebet für uns hilfreich.»
«Sarah gibt mir viel»
«Trisomie 21 ist kein Grund, eine Schwan- gerschaft abzubrechen», ist Daniel über- zeugt. «Von einem Kind mit Trisomie 21 können wir viel lernen. Es betrachtet das Leben anders.» Daniel berührt es, dass Sarah immer ein Lächeln auf dem Gesicht habe – selbst in schwierigen Situationen. Sie hinterfrage nicht, sondern geniesse einfach das Leben. Heute sehen Salome und Daniel es als Vorrecht, sich um ein Kind mit Trisoime 21 kümmern zu dürfen. «Sarah gibt mir viel», bekräftigt Salome. «Ich will von ihr lernen, die Welt mit anderen Augen zu sehen und nicht immer alles zu ernst zu nehmen.»
Gute Förderung ist wichtig
«Sarah entwickelt sich langsamer als andere Kinder», sagt Salome. So konnte ihre Tochter zum Beispiel erst mit mehr als zwei Jahren selbstständig laufen. Im vergangenen Jahr besuchte sie einmal pro Woche eine Spielgruppe und geht heute in den Kindergarten der heilpädagogischen Schule. Dort werde Sarah hervorragend begleitet. «Wenn man diese Kinder för- dert, können sie auch etwas erreichen», ist Daniel überzeugt. Er ist zuversichtlich, dass Sarah auch im Erwachsenenalter ihren Weg wird gehen können. In der Familie ist Sarahs Beeinträchtigung kein grosses Thema. Sarah wolle immer mit den älteren Geschwistern zusammen sein. Auch wenn diese sich manchmal abgren- zen, sei die kleine Schwester sehr akzep- tiert. Vor allem Zoe interessiere sich sehr dafür, was Sarah im Kindergarten erlebe.
«Wenn man diese Kinder fördert, können sie auch etwas erreichen.»
Wertvoller Austausch mit hope21
Salomes Eltern machten ihre Tochter
und ihren Schwiegersohn auf den Ver-
ein hope21 aufmerksam. In der Folge besuchten die beiden einen Anlass in Basel. Nachdem ein Vertreter zu einem Gespräch vorbeigekommen war, wurde Familie Schütz Mitglied bei hope21. Salome und Daniel beschlossen, selbst Ansprechpartner für Familien zu sein, deren Kind mit Triso- mie 21 diagnostiziert wurde. Mit anderen Familien Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen, das sei für alle Beteiligten eine grosse Bereicherung.