Die Geschichte unseres kleinen Noahs
17. Dezember 2023
Schon ganz früh in der Schwangerschaft wurde ich von meiner Gynäkologin gefragt, ob wir pränatale Tests wünschen, was wir, wie schon bei unseren ersten beiden Schwangerschaften, ablehnten. Es war für uns klar, dass wir jedes Kind so annehmen wollen, wie es uns geschenkt wird. Die Gynäkologin meinte dazu, dass Menschen mit Trisomie 18 oder 13 nur eine ganz kurze Lebenserwartung hätten, jedoch solche mit Trisomie 21 lange leben würden und somit auch meine anderen Kinder von der Aufgabe, einen Pflegefall lebenslang zu betreuen, betroffen seien. Ich musste unterschreiben, dass wir keine pränatalen Tests wünschen und ging schockiert über die Aussagen der Gynäkologin nach Hause.
Voller Vorfreude und nichts ahnend gingen mein Mann und ich in der 19. Schwangerschaftswoche zum Organscreening bei meiner Gynäkologin. Während der Untersuchung war sie eher ruhig, doch anschliessend sagte sie, dass wenig Fruchtwasser vorhanden sei und das Baby zu klein sei für die Schwangerschaftswoche. Sie informierte uns, dass sie uns gerne ans Kantonsspital St. Gallen zu einem genaueren Screening überweisen wolle. Auf meine Nachfrage erklärte sie, dass es sein könne, dass ein Gendefekt vorhanden sei. Völlig perplex und verzweifelt fuhren mein Mann und ich nach Hause.
Zum Glück konnten wir gleich am nächsten Tag zum Screening ins Spital. Zwei Ärzte führten den Ultraschall durch. Niemand sprach ein Wort mit uns. Der Ultraschall dauerte eine gefühlte halbe Ewigkeit. Ich habe geweint und hatte solche Angst. Im Anschluss sagten die Ärzte, das Baby habe auf jeden Fall einen Herzfehler, die Nieren seien auffällig und es werde ein Gendefekt vermutet. Sie informierten uns, dass sie eine Fruchtwasserpunktion durchführen wollen. Ich stand völlig unter Schock. Mein Mann war kreidebleich und kurz davor umzukippen. Auf unsere Bitte konnten wir eine halbe Stunde Pause machen, danach wurde die Punktion durchgeführt. Das war an einem Freitag, die ersten Ergebnisse sollten Montag oder Dienstag kommen. Es war so schrecklich. Ich habe drei Tage lang geweint und wir waren beide nicht mehr fähig, uns um unsere beiden anderen Kinder zu kümmern. Zum grossen Glück hatten wir lieben Menschen um uns, die uns Hoffnung gaben, dass eine Diagnose (insbesondere Trisomie 21) nicht bedeuten würde, dass wir nicht glücklich sein werden. Für mich war es immer das Wichtigste, dass unser Kind leben und glücklich sein darf. Ich begann zu hoffen, dass unser Baby nur eine Trisomie 21 hat. Am Montagabend meldete sich der Arzt und teilte mit, dass er noch keine Ergebnisse habe und dass diese am Dienstag Vormittag eintreffen würden. Auf meine Nachfrage hin erklärte er mir erstmals, dass der Herzfehler operierbar sei. Das war für mich sehr erleichternd zu hören. Am Dienstag meldete er sich nochmals telefonisch und teilte uns die Diagnose Trisomie 21 mit. Zuspruch oder weitere Informationen erhielten wir keine. Der Arzt meinte, dass die Möglichkeit bestehe, die Schwangerschaft abzubrechen. Das kam für uns nicht in Frage und ich teilte ihm dies sofort mit. Er fragte, ob er uns Unterlagen zum Thema Down-Syndrom zuschicken solle oder ob wir nochmals vorbei kommen wollen. Natürlich wollten wir nochmals zum Gespräch kommen, schliesslich wussten wir nur, dass unser Baby Trisomie 21 und einen Herzfehler hat. Ich konnte die Diagnose Trisomie21 sofort akzeptieren, es fühlte sich für mich ok an. Ich habe Tränen der Erleichterung geweint und hatte sofort das Gefühl, dass alles gut werden würde. Mein Mann war in diesem Moment völlig verzweifelt. Für ihn ist eine Welt zusammengebrochen. Ich denke, ich konnte mir zu dem Zeitpunkt eher etwas unter der Diagnose vorstellen als er.
Als wir erneut zum Gespräch im Spital waren, bekamen wir wenig Infos. Der Arzt informierte uns, dass der Herzfehler operiert werde und überwies uns zu einem Herzspezialisten ins Kinderspital. Erstmals kam bei mir die Angst auf, ob unser Kind das alles überhaupt überleben würde. Wir erhielten die Flyer von hope21 und Insieme und setzten uns völlig verzweifelt auf eine Bank vor dem Spital. So konnten wir zuerst einmal kurz verarbeiten, was uns
gerade gesagt wurde. Wir hatten die Flyer in der Hand und fingen an, darin zu blättern. Beim Anschauen ging mir plötzlich das Herz auf. Es waren so viele schöne Bilder von herzigen Kindern und berührende Aussagen von glücklichen Familien darin zu sehen. Das tat richtig gut und ich war plötzlich ganz stolz und motiviert, dass wir so ein besonderes Kind bekommen würden.
Sehr schnell kam ich in Kontakt mit zwei HopeFamilies von hope21, deren Kinder sogar denselben Herzfehler hatten, wie unser ungeborene Sohn. Die Kontakte taten richtig gut. Sie gaben uns Hoffnung und die Vorfreude auf unser besonderes Kind wuchs. Ich konnte den HopeFamilies alle Fragen stellen, die mir in den Sinn kamen und ich hatte schnell das Gefühl, dass alles gut werden würde und wir glücklich sein würden. Besonderes berührt hat mich die Aussage von Tamara. Sie sagte im Telefongespräch, dass sie uns zu unserem Kind gratuliere und sie mir garantiere, dass unser Kind ein grosses Glück für unsere Familie sein werde.
Auch von unserer Familie und unseren Freunden haben wir sofort grossen Zuspruch erhalten. Alle haben sich mit uns gefreut und uns unterstützt.
Bei der darauffolgenden Kontrolle in der 23. Schwangerschaftskontrolle erhielt ich völlig unerwartet die schlimmste Nachricht meines Lebens. Das Herz unseres kleinen Noahs hatte aufgehört zu schlagen. Nach der herausfordernden Zeit der Diagnose mussten wir als Familie den unfassbar schmerzhaften Verlust unseres Kindes und Bruders verkraften. Worte lassen sich dafür kaum finden. Noah hat bei uns in der Familie, besonders in unseren Herzen, seinen Platz und wir dürfen seine Nähe und die Liebe zu ihm immer wieder spüren. In all der schwierigen Zeit der Trauer waren mir Menschen von hope 21 nahe und es erwärmt mein Herz zu sehen, wie glücklich all die Kinder mit Trisomie 21 und deren Familien sind. Ich bin sehr dankbar für eure unglaublich wertvolle Arbeit. Ich fühle mich beschenkt, dass wir mit unserer Geschichte ein Teil von hope21 sein dürfen.