Eine HopeFamily stellt sich vor
16. Dezember 2022
«Uns ist wichtig, seine Fröhlichkeit und Lebendigkeit zu geniessen»
Mirjam und Gunnar, HopeFamily aus dem Kanton Zürich, stellen sich vor
Liebe Mirjam, lieber Gunnar, wer gehört zu eurer Familie und wie wohnt ihr?
Wir sind Gunnar, Mirjam und Nils. Wir wohnen in einem Mehrfamilienhaus, in dem auch die Eltern von Mirjam, also Nils’ Grosseltern, wohnen.
Was macht ihr beruflich?
Gunnar arbeitet 80 Prozent als Psychotherapeut in einer Klinik. Mirjam arbeitet etwa 60 Prozent als Mittelstufenlehrerin.
Wie gestaltet ihr eure Freizeit?
Nils geht gerne ins Babyschwimmen, spielt im Garten, auf einem Spielplatz oder drinnen. Die grosse Leidenschaft von uns Eltern ist das Tauchen. Wir tauchen regelmässig in den Schweizer Seen.
Wo wart ihr zuletzt in den Ferien?
In Ligurien (Italien) am Meer.
Was ist typisch für eure Familie? Worauf legt ihr in eurer Familie viel Wert?
Wir geniessen (z. B. italienische Küche mit Pasta und Pizza) und entdecken (kleinere und grössere Ausflüge an die Schweizer Seen oder ans Mittelmeer) gerne. Auch haben wir grosse Freude am Wasser (Planschen und Tauchen). Zudem sind uns Musik und Kultur wichtig. Nils geht gerne mit uns an klassische Konzerte oder hört gerne zu, wenn wir etwas vorlesen oder vorsingen. Auch das miteinander Reden und einander Zuhören ist uns wichtig. Nils kann schon ganze Reden in Kauderwelsch halten.
Hattet ihr vor der Geburt von Nils schon Kontakt zu Menschen mit Down-Syndrom?
Nein, nicht bewusst.
Wie hat sich euer Leben verändert, seit Nils bei euch ist?
Unser Leben hat sich durch die Elternschaft sehr stark verändert. Der Alltag ist jetzt ganz anders als vorher, aber wahrscheinlich ganz ähnlich wie bei den Eltern eines Kindes mit 46 Chromosomen. Das Wissen, dass Nils mancherlei Normen nicht entsprechen und seinen speziellen eigenen Weg gehen wird, hat uns aber dazu gebracht, bewusster darüber nachzudenken, was für ihn und uns ein zufriedenes Leben wirklich ausmacht. Uns ist wichtig, seine Fröhlichkeit und Lebendigkeit zu geniessen, ihn spüren zu lassen, wie sehr wir ihn lieben sowie seine individuellen Stärken und Interessen zu erkennen und zu fördern.
Wie und wann habt ihr vom Down-Syndrom bei Nils erfahren?
Mirjam hat die Diagnose in der 14. Schwangerschaftswoche telefonisch vom Pränataldiagnostiker erhalten.
Was waren eure Ängste nach der Diagnose?
Im ersten Moment brach für uns eine Welt zusammen. Wir waren sehr verzweifelt. Eigentlich hatten wir besprochen, dass wir das Kind sowieso behalten möchten, aber dann bekamen wir plötzlich grosse Angst. Wir wussten nicht viel über Trisomie 21 und kannten niemanden mit Down-Syndrom. Wir wussten, dass über 90 % in unserer Situation eine Abtreibung durchführen.
Wir hatten Angst, den besonderen Bedürfnissen unseres Kindes nicht gerecht werden zu können. Wir wussten nicht, ob wir finanzielle Schwierigkeiten haben würden und ob wir beide noch arbeiten könnten. Wir befürchteten, völlig überfordert zu sein und dass unser Kind so beeinträchtigt wäre, dass weder das Kind noch wir selbst jemals wieder Freude empfinden würden. Wir hatten Angst, dass unser Kind von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird.
Was hat euch im Umgang mit diesen Ängsten geholfen?
Wir hatten Kontakt zu drei Familien mit Kindern mit Down-Syndrom. Die Kinder waren alle in einem unterschiedlichen Alter.
Mirjam hat es sehr geholfen, mit einer Mutter zu reden, die die Diagnose auch in der Schwangerschaft erhalten hatte.
Ganz allgemein hat es uns sehr geholfen zu sehen, wie der Alltag der Familien aussieht und was für Themen sie aufgrund der Trisomie 21 beschäftigen.
Uns war es wichtig, einer Familie Fragen stellen zu können, deren Kind mit Down-Syndrom in die Kita geht, weil wir beide weiterhin arbeiten wollten.
Ausserdem konnten wir einen Termin mit einer Entwicklungspädiaterin vereinbaren, welche mit Familien mit Kindern mit Down-Syndrom arbeitet. Wir haben uns im Voraus überlegt, was uns alles beunruhigt und sie konnte uns alle Fragen beantworten, so dass wir uns ein realistischeres Bild machen konnten.
Geholfen haben auch positive und unterstützende Reaktionen aus unserem Umfeld, nachdem wir von der Diagnose erzählt hatten. Rückblickend hat es sehr geholfen, dass uns die meisten nicht gesagt haben, wie wir uns entscheiden sollen.
Wir haben uns auch verschiedene Videos angeschaut. Besonders berührt hat uns ein Video, in dem Menschen mit Down-Syndrom sagen, was sie ihren zukünftigen Eltern sagen würden. (z. B. dieses hier: https://www.youtube.com/watch?v=Ju-q4OnBtNU)
Wie würdet ihr Nils Charakter beschreiben?
Offen, charmant, neugierig, interessiert, zufrieden, begeisterungsfähig, willensstark, eigenwillig und ausdauernd
Welches sind eure schönsten oder lustigsten Erlebnisse mit Nils?
Seine extreme Freude, wenn er Planschen kann, z. B. in der Badewanne, im See oder im Schwimmbad. Seine Art, alleine zu spielen. Er kann sehr lange mit einem Spielzeug spielen, indem er es auf verschiedene Arten untersucht. Wie fühlt es sich an? Wie kann ich es bewegen? Wie klingt es?
Sein herzhaftes Lachen, wenn man ihn kitzelt.
Wenn er am Morgen schon wach ist und einen einfach entspannt im Bett anlacht.
Wie er auch fremde Leute anlächelt und verzaubert und sich diese kaum von ihm losreissen können.
Welche schwierigen Situationen habt ihr mit Nils erlebt?
Wir hatten schon einen Termin für die Kita-Besichtigung, als wir die Diagnose erhielten. Mirjam rief vor dem Besichtigungstermin bei der Kita an, um sie zu informieren, dass unser Kind Trisomie 21 hat. Danach wollte die Kita-Mitarbeiterin erst noch abklären, was das bedeutet und rief später an, um mitzuteilen, dass sie in diesem Fall unser Kind zuerst kennenlernen möchten, bevor wir den Vertrag machen. Dies hat uns sehr verletzt, da es vor der Diagnose hiess, dass wir dann direkt bei der Besichtigung den Vertrag unterschreiben können.
Dank der Hilfe einer Gemeindearbeiterin haben wir schliesslich eine andere Kita gefunden, die Nils sehr gerne aufgenommen hat.
Wird Nils fremdbetreut?
Nils geht während zwei Tagen in der Woche in die Kita. Seine Grosseltern hüten ihn regelmässig und er hat eine Babysitterin.
Bald ist Weihnachten. Wie feiert ihr? Habt ihr besondere Traditionen in eurer Familie?
Wir feiern mit der Familie. Wir singen Weihnachtslieder und meistens liest jemand eine weihnachtliche Geschichte vor.
Ein Teil der Familie wohnt in Deutschland. Mit ihnen treffen wir uns vor oder nach Weihnachten und gehen zum Beispiel zum Weihnachtsmarkt.
Warum engagiert ihr euch für hope21? Was erhofft ihr euch von eurem Engagement?
Hätten wir damals keinen „Realitätscheck“ durch Kontakt mit anderen Familien gehabt, hätten uns womöglich am Ende die Ängste zu einer Entscheidung gegen das Kind getrieben. Jetzt wo Nils bei uns ist, sind wir unendlich froh und dankbar, dass dies nicht passiert ist. Diese Dankbarkeit führt zum Wunsch, etwas „zurückzugeben“. Es würde sich jedenfalls falsch anfühlen, nicht anderen Eltern in einer ähnlichen Situation die gleiche Hilfe zukommen zu lassen, die wir hatten.
Was würdet ihr Eltern sagen, die gerade die Diagnose Down-Syndrom für ihr Kind erhalten haben?
Herzlichen Glückwunsch zu eurem Kind! Wir verstehen, wenn euch die Diagnose Angst macht. Wir hatten damals auch grosse Angst und es hat uns sehr geholfen, mit anderen Eltern zu reden und uns zu informieren. Euer Kind ist etwas ganz besonderes. Niemand kann vorhersehen, wie es sich entwickeln wird, genau so, wie man das bei keinem Kind vorhersehen kann.