Eine Mutter schwärmt von ihren Kindern
Dieser Beitrag ist auf www.livenet.ch zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2023 erschienen.
Datum: 21.03.2023 Autor: Markus Richner-Mai
Tamara Lange lebt mit ihrer Familie in Burgdorf und ist begeistert von ihren beiden Kindern. Dass eines von ihnen ein zusätzliches Chromosom hat, betrachtet sie als Bereicherung.
Als Tamara (*1986) und Marc (*1983) ihr erstes Kind erwarteten, war die Freude riesig. Eltern zu werden hatten sie sich über alles gewünscht. Doch dann kam der grosse Schock: Beim ungeborenen Kind wurden Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, und ein schwerer Herzfehler diagnostiziert. «Die Diagnose wurde mir telefonisch mitgeteilt, während ich gerade auf der Auto- bahn unterwegs war. Ich musste auf dem Pannenstreifen anhalten, konnte nicht mehr weiterfahren.»
Erst der Kardiologe hatte ein positives Wort übrig
«Mit der Diagnose fühlten wir uns alleine gelassen», blickt Tamara auf die Zeit der Sorgen und Ängste zurück. «Trotzdem hatten wir eine grosse Liebe und Verbundenheit zu unserer ungeborenen Tochter.» Hilfe wurde nicht angeboten, stattdessen immer wieder der Weg zum Schwangerschaftsabbruch aufgezeigt. «Bis zur 24. Woche mussten wir immer wieder bekräftigten, dass wir das Kind behalten wollten.»
Es war eine äusserst schlimme Erfahrung. «Jemand vom medizinischen Personal drängte uns fast schon zum Abtreiben. Sie betonte, dass ihr Leben nicht wirklich lebenswert sei.» Das sass tief. Schliesslich wurde Tamara von einem Kardiologen aufgefangen. «Ihr könnt euch auf euer Kind freuen!», sagte er. «Lasst euch nichts einreden. Und das Herz des Kindes werden wir korrigieren.» Jahre später stellte sie fest, dass solche Aussagen von Kardiologen typisch sind.« Sie sehen die Kinder mit Down-Syndrom auch nach der Geburt und können deshalb den Wert derer Leben erkennen.»
Aliyah ist eine grosse Bereicherung
Am 8. November 2016 wurde Aliyah geboren. Das Mädchen gehörte zu den 40 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom, welche gleichzeitig auch einen Herzfehler haben. Die erste Herzoperation wurde nach zwei Monaten vorgenommen, die zweite folge nach sechs Monaten und die dritte nach zweieinhalb Jahren. Es war eine anstrengende Zeit – sowohl physisch als auch emotional. «Viele haben gebetet und ums Leben von Aliyah gebangt. Insgesamt verbrachten wir sieben Monate im Spital. Wir sind so unbeschreiblich dankbar für Gottes schützenden Hände über Aliyah’s Leben, für die heutigen medizinischen Möglichkeiten und dass Aliyah jetzt ein gesundes Herz hat.»
Inzwischen sind die vielen Stra- pazen nur noch eine Erinnerung. Die Freude an Aliyah ist riesig. «Sie macht unser Leben viel schöner und bunter.» Natürlich bringe das Leben mit einem Kind immer auch Herausforderungen, doch dies sei normal, unabhängig von der Anzahl Chromosomen. «Aliyah ist nicht nur für uns, sondern auch für unser Umfeld eine grosse Bereicherung. Sie hat eine enorme Lebensfreude und ein besonderes Einfühlungsvermögen.» Tamara berichtet von Situationen, in denen Aliyah merkte, dass jemand eine Umarmung brauchte. «Sie erweicht manches harte Herz und bewirkt bei vielen ein Umdenken.»
Nichts ist selbstverständlich
Im Jahr 2020 erlebten Tamara und Marc ein zweites Wunder: die Geburt ihres Sohnes Lionel. Doch erneut lief nicht alles reibungslos. Kurz nach der Geburt hatte das Baby einen Schlaganfall. «Anfänglich war nicht klar, ob er einen bleibenden Schaden davontragen würde.» Bekannte Gefühle kamen wieder hoch, es war äusserst herausfordernd. Würden sie nun zwei beeinträchtige Kinder haben? «Für uns ist es ein Wunder, dass Lionel keine bleibenden Schäden davongetragen hat.» Trotz der Dankbarkeit ist für Tamara und Marc klar, dass Lionels Wert auch sonst genauso gross wäre.
«Es ist eindrücklich, wie schön es unsere Kinder miteinander haben», freut sich Tamara. Wie es bei Müt- tern der Fall ist, ist auch ihre Liebe für beide Kinder gleich gross. Kinder sind nun mal unterschiedlich, aber immer liebenswert und über alle Massen wertvoll.
Durch die Tochter die Berufung gefunden
Nach der Schwangerschaft mit Aliyah begann in Tamara eine Sehnsucht zu wachsen. «Nachdem wir auf uns alleine gestellt waren, wuchs in mir der Wunsch, anderen Paaren, welche die Diagnose Trisomie 21 bei ihrem ungeborenen Kind erhalten, zur Seite zu stehen.» Sie wusste nicht, wie sie dies umsetzen könnte, doch gerade die Tatsache, dass 90 Prozent aller Kinder, bei denen Trisomie 21 diagnostiziert wird, abgetrieben werden, liess in ihr das Gefühl von Dringlichkeit aufkommen.
Nur kurze Zeit später erfuhr Tamara von hope21. «Als ich davon hörte, hatte ich Tränen in den Augen. Das war genau das, wovon ich geträumt hatte.» Unverzüglich meldete sie sich und es dauerte nicht lange, bis sie eine HopeFamily waren.
Voller Elan engagierte sich Tamara in die Arbeit und ist heute Vorstandsmitglied des Vereins.
Was macht hope21?
Heute steht Tamara Frauen und Paaren nach der Diagnose Trisomie 21 zur Seite und öffnet die Türen für Einblicke in ihren Familienalltag. Damit füllt hope21 eine Lücke. «Wir erfahren viel Dankbarkeit, gerade auch von Gynäkologen.» Der Verein erstellte unter anderem eine Broschüre als Hilfestellung zur Übermittlung der Diagnose.
Ein Kind mit dem Down-Syndrom ist lebenswert und für Eltern und Umfeld eine grosse Bereicherung. Mit dieser Message gelangen Tamara und andere Mitglieder von hope21 an Betroffene. «Heute gibt es so viele Möglichkeiten von Förderung und Unterstützung.» Das sei anders als noch vor wenigen Jahrzehnten. «Es gibt auch viele Leute, die sich ein Kind wünschen und eines adoptieren möchten – auch mit Down- Syndrom.» Tamara ist wichtig, dass Frauen dies erfahren und wissen, dass jemand ihr ungeborenes Kind lieben kann.