Erstaunlich, wie man mit einem simplen Leben andere ermutigen kann

17. Dezember 2023

Olga und Michael, eine unserer HopeFamilies, wurden im Rahmen von «SRF Reporter» während fünf Jahren begleitet. Die Reportage wurde schliesslich im April 2023 ausgestrahlt und hat zu vielen positive Reaktionen geführt. Im exklusiven Interview mit «hope21 news» erzählen die beiden, wie sie diese Zeit empfunden haben.

Liebe Olga, lieber Michael, ihr wurdet während fünf Jahren von «SRF Reporter» begleitet. Wenn ihr nun zurückschaut, hat sich das Filmprojekt gelohnt? Inwiefern hat es auch euren Alltag geprägt?
Ja sehr, es war spannend zu erleben, wie eine Reportage entsteht. Vor allem aber haben uns die Reaktionen überwältigt. Wirklich viele haben uns daraufhin ihre persönliche Geschichte geschildert. Erstaunlich, dass man mit seinem simplen Leben andere erreichen, bestärken oder ermutigen kann. Gleichzeitig heisst es aber auch, dass demnach nicht alle in einer ähnlichen Situation so ein Glück empfinden können wie wir, wenngleich wir es allen sehr gönnen würden.

In der Doku hören wir, dass es kurz nach der Geburt von Janusch zu einem Darmverschluss gekommen ist und dies eine sehr intensive Zeit für euch gewesen ist. Wie seid ihr als Familie damit umgegangen. Was hat euch geholfen? Was sagt ihr einer Familie in einer ähnlichen Lage, um ihnen Mut zu machen?
Das ist wohl die schwierigste all dieser Fragen. Sicher, unsere Familien, sie halfen für unseren Erstgeborenen da zu sein. Oft, als wir Zeit mit Janusch im Spital verbracht haben, durfte er zu ihnen. Auch kochten sie für uns, wenn wir nach langen Tagen, teilweise sehr erschöpft und mitgenommen nach Hause kamen. Es gab viele Tränen, viel Hoffnung, viel Durchhalten, Bangen, Abwarten und ich, Olga, musste vor allem lernen zu vertrauen.

Wenn ich zurückdenke, geht es mir immer noch sehr nahe. Es war wortwörtlich ein Monat, in dem sich unser Leben grundlegend verändert hat. Wir sind tief drinnen stark geworden. Das Wissen um dieses Band und der Horizont, der sich auftut, sind das, was ich den Familien weitergeben kann zur Bestärkung.

Du, liebe Olga, sagst den Satz: «Nicht um alles in der Welt würde ich dieses Chromosom hergeben.»
Kannst du die Bedeutung dieses Satzes unseren Lesern noch etwas näher erklären? Weshalb würdest du dieses Chromosom nicht mehr hergeben?
Janusch hat uns gelehrt, unser Leben mit einer Leichtigkeit zu füllen. Er hat unsere Karten neu gemischt: Was uns vorher vielleicht noch wichtig im Leben war, war plötzlich irrelevant. Seither gehe ich in den Tag und frage mich oft, ist dies und jenes für mich jetzt wichtig, ja oder nein. Gutes kommt mit, Schlechtes versuche ich gehen zu lassen, basta. Ich geniesse diese neu gewonnene Lebensqualität sehr, ich würde sagen unsere Familie baut sich seither auf diesem Motto auf, was sich merklich auf unsere Zufrieden- und Ausgeglichenheit auswirkt.

Ihr sagt, dass ihr keine pränatalen Untersuchungen gemacht habt. Weshalb nicht? 
Ein Resultat einer Voruntersuchung wirft im Moment des Aussprechens viele Fragen auf, die nach einer Antwort verlangen. Dessen muss man sich bewusst sein, finden wir und dem sollte man sich gewachsen fühlen. Kann man aber diesem Abstraktum Stirn bieten? Wir hätten es nicht gekonnt. Beziehungsweise es hätte uns unumgänglich durcheinandergebracht. Statt diesem Energieverdruss, wollten wir die Vorfreude mit dem Ungeborenen teilen. Aber auch hier, das gilt und stimmt für uns. Ich kann nicht für andere denken und reden. Das Leben ist nicht vollends planbar und das war in diesem Moment unserer Familie grosses Glück.

90 % aller Schwangerschaften eines Kinders mit Down-Syndrom enden in einer Abtreibung. Was macht diese Zahl mit euch?
Prompt, egoistisch und sarkastisch würde ich aus dem Bauch heraus am liebsten antworten mit:
«Du hast möglicherweise das Beste im Leben verhindert, durch eine Angst vor was genau?»

Ich weiss aber natürlich, dass das Leben etwas komplizierter ist, als meine Reaktion es zulässt. Solange ich die jeweiligen Hintergrundgeschichten der Menschen nicht kenne, habe ich kein Recht zu urteilen. Ich kann in dem Moment nur von mir ausgehen und nochmals folgendes weitergeben: Für uns ist es etwas vom Besten im Leben, das eintreffen konnte.

Was müssen wir tun, damit mehr Kinder mit Trisomie 21 das Licht der Welt erblicken?
Das, was ihr zum Beispiel hiermit macht, nämlich Stimmen von Beteiligten laut werden lassen. Tragisch finde ich tatsächlich, dass viele nichtwissende, oder konkreter, nichterfahrene Personen Vorschläge abgeben, begleitet von Vorurteilen und womöglich auch Angstmacherei. Das Herz darf ruhig wieder etwas näher zur Entscheidungskraft eines Menschen hinrücken.

Zum Schluss: Gibt es noch etwas, das ihr unseren Lesern sagen möchtet?
Vielleicht ein etwas skurriler Vergleich, aber: Wenn euch etwas belastet, schüttelt euch wie eine triefend nasse Katze nach einem Regentag tun würde und geht weiter, denn die Sonne kommt bestimmt wieder.

Zur SRF-Reportage geht es hier:
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/leben-mit-down-syndrom-was-wenn-mein-kind-eine-behinderung-hat

Mehr zur Familie Jappert auf:
https://hope21.ch/michael-olga/